Per Anhalter zum Soziologie Diplom

Eine Liste der Hürden, die ein Anhalter zu bewältigen hat.

Naja, bewältigen muss er die eigentlich nur, wenn er auch tatsächlich mitgenommen werden will. Ab und an gönne ich es mir schon mal, der obligatorischen Frage "Wo soll's denn hingehen?" mit einem "Hat Ihr Auto Klimaanlage?" zuvor zu kommen und dann eben je nach Antwort ein "Schade, da fahr' ich dann doch nicht mit!" nach zu schieben.

Für das psychologische Gleichgewicht ist das eminent wichtig, wenn man sich mal kurzfristig vormachen kann, dass man auf die anderen eigentlich gar nicht angewiesen ist, und auch selber entscheiden kann, dass mir die Fresse, die mich da anblickt, gar nicht gefällt und dass ich da nicht mitfahren will. Das ist natürlich einigermaßen arrogant, aber das ist genau die Arroganz, mit der man sich gegen die vorbeifahrende Ignoranz, zur Wehr setzen muss. Natürlich gehört der anhaltende Autofahrer gerade nicht zur Gruppe der Ignoranten, aber manchmal ist das Leben eben ungerecht. Und außerdem bedeutet die Arroganz für mich ja auch ein Opfer, weil ich dann auf den nächsten warten muss, der mich mit nimmt. Dass das nicht gleich der nächste Wagen ist, kann sich wohl jeder vorstellen, von daher werde ich nochmals mit den Ignoranten konfrontiert.

Sonnenbrillen
Es ist nun wirklich schwer vorzustellen, dass jemand einen Anhalter mit nimmt, der seine Augen hinter einer Sonnenbrille versteckt. Oder würden Sie Heino mitnehmen? Und genau das ist das Fatale. Wer schon mal ohne Sonnenbrille an der Straße gestanden ist und womöglich auch noch auf der Nordseite, der Sonne zugewandt, der weiß welch unschöne Fältchen sich durch das ständige Zusammenkneifen der Augen ausbilden.
Männer und Schönheit
Für Männer ist das weniger relevant, denn aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es Männern als Anhaltern nichts nützt, dass sie schön aussehen. Bekannterweise werden Männer ja durch ihr Geld attraktiv, von daher kommt es bei ihnen eher darauf an, die Hosentasche geschickt auszubeulen, so das die ignoranten und weniger ignoranten Vorbeifahrenden an dieser Stelle eine dicke Brieftasche vermuten können. Der Nutzen solcher Aktionen ist aber fragwürdig. Denn bedauerlicherweise hält sich das Gerücht ziemlich hartnäckig, dass, wer trampend unterwegs ist, kein Geld haben kann.
Ausbeulungen
Aber Achtung, um die Ausbeulungen an der richtigen Stelle anzubringen, ist einiges Geschick nötig. Wer in diesem Punkt ungenau arbeitet oder sogar die Ausbeulung vorne in der Hose zu Stande bringt, rutscht dann eher in die Kategorie Triebtäter mit Hormonstau, als in die der reichen Männer, die auch gerne andere ihre Millionen ausgeben lassen.
Knoblauch-Fahne
Wenn auffällig viele der anhaltenden Leute, nach dem Runterkurbeln des Seitenfensters und nach dem sie das Ziel gehört haben, etwas murmeln von wegen: "Ich fahre aber nur bis in den nächsten Ort", dann ist es an der Zeit, sich zu überlegen, ob nicht doch noch das Essen vom Vortag aus den größeren und kleineren Körperöffnungen zu riechen ist. Spätestens wenn die Aussagen noch verschärfter kommen, wenn nämlich die Fahrer plötzlich zu einem Ziel in komplett entgegen gesetzter Richtung wollen, sollte man aufhören mit dem Überlegen. Da ist es sonnenklar: Der Typ will dich definitiv nicht mitnehmen. Sein Auto ist ihm zu schade für den Geruch.
Gitarrenkoffer
Keine Ahnung, ob das Mitleid ist oder der Drang, Kulturschaffende zu fördern, jedenfalls werden Personen mit Gitarrenkoffer auffällig oft und schnell mitgenommen. Und dabei ist es egal, ob die Leute den Film "El Mariachi" kennen oder nicht. Gefahr hin oder her. So einen coolen Typen wie den Mariachi will eben jeder mitnehmen.
Abwrackprämie
In manchen Kreisen gehört es ja zum guten Stil, sich kritisch über die Abwrackprämie zu äußern. Aber für den Anhalter an deutschen Straßen im Jahre 2009 ist das nicht eine Frage des Stils, sondern entscheidet darüber, ob er nur 20 Minuten wartet oder eben doch 2 Stunden. Denn ganz offensichtlich gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen Auto-Neukauf, erhöhter Wasch- und Putzmotivation beim Neuwagen und der verschärften Abneigung gegen Leute am Straßenrand, die unkontrollierte Mengen an Schmutz mit ins Auto bringen könnten.