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Ich mag keine Musicals!

Als klassischer Computer Geek bin ich natürlich nicht fähig, auch nur einen vollständigen Satz über mich zu formulieren, und lasse lieber ein schnödes Directory-Listing für mich sprechen. Okay, hab's mir noch mal überlegt: Ich habe was gegen automatisch generierte Listen. Aber diese Abneigung allein macht aus einem Analphabeten noch keinen Literaten. Also bleibt's bei den Listen, aber bei solchen, die von mir selber zusammen gestellt sind. Wer aber immer noch ein ungebändigtes Bedürfnis nach einer generierten Verzeichnis-Liste hat, der darf sich auch gerne nebenan in der Fundgrube umtun. Ganz egal, ob er oder sie meine Meinung zu Musicals teilt oder nicht.
Ihr dürft sogar gar keine Meinung haben. Mir schadet das nicht. Und ich ziehe sogar den Hut und den Turban, wenn jemand diese Meinung, die er gar nicht hat, als Kommentar auf der Feedback-Seite hinterlässt. Das einzige, was dort nicht akzeptiert ist, sind Sätze wie: Hey, cool, deine Seite. Vor allen Dingen die beiden vorher-nachher Bilder. Aber die Reihenfolge ist falsch rum!

Die 8 Platten (... oder Liste, Teil 1)

Das stimmt natürlich nicht ganz: Nur eines dieser Alben habe ich auf Vinyl, alle anderen drehen sich als CD in meinem Player.

Grace -- Jeff Buckley
Diese Stimme hört man einmal -- und dann vergisst man sie nie mehr. Ich könnte jetzt auch nicht sagen, bei welchem Titel das Klavier das Hauptinstrument ist und wo die Gitarre. Darauf kann man nicht achten, weil man einfach zu sehr vom Gesang in den Bann gezogen wird. Und das, obwohl ich zugeben muss, dass ich außer bei Hallelujah nicht viel von den Texten verstanden habe
Achtung Baby -- U2
Auch bei diesem Werk von U2 zuckt mein Finger ab und zu zur Skip-Taste, aber im Gegensatz zu den beiden Vorgänger-Alben nutzen sich die großartigen Songs nicht ab: Until The End of The World und Acrobat haben den gleichen treibenden Rhythmus wie Bullet The Blue Sky oder Exit von Joshua Tree, aber die Lyrics und die Gitarre halten das Gegengewicht. Unter anderem auch, weil sie diesmal frei von Manierismus sind. One hatte das Pech, zu oft im Radio zu laufen und zu häufig interpretiert zu werden: Wenn sich zu viele mit einem Song identifizieren, kommt man automatisch zu der Frage, ob er denn dann überhaupt Substanz und eine Aussage haben kann. Seit der kongenialen Cover-Version von Johnny Cash gibt es allerdings keine Zweifel mehr an der Substanz des Songs.
Dusk -- TheThe
Der legitime Nachfolger von Achtung Baby, den U2 leider nie gemacht haben. Da gibt es das flüsternd versprechende Helpline Operator, bei der ich alle paar Jahre mal wieder am Zweifeln bin, ob es nicht doch als purer Ernst gemeint ist. Das klassisch existenzielle Erlösungslied Bluer Than Midnight mit der schon fast schreienden Zeile "Save me, save me -- from myself" könnte man sich auch von Bono oder von Jeff Buckley gesungen vorstellen, nicht aber von Johnny Cash. Und am Ende steht der verzweifelt hoffnungsvolle Abgesang Lonley Planet, anscheinend ein Lied für unseren blauen Planeten, der zum Gegenüber personalisiert wird. Ist die Erde jetzt tatsächlich in einer Krise oder dient sie nur als Spiegel für die Lebenskrise des Sängers Matt Johnson. Acht mal singt er in bester therapeutischer Manier: "If you can't change the world, than change yourself", um beim neunten Mal in ironischer Brechung nachzuschieben: "And if you can't change yourself then ... change the world."
The Criminal Under My Own Hat -- T-Bone Burnett
Noch so eine Platte, bei der fast alles stimmt, außer es meint jemand, dass für den üblichen CD-Preis mehr Musik drin sein müsste. 39 Minuten, bei denen ich jeden Titel zwei oder dreimal hören kann, sind mir lieber als 60 Minuten, bei denen ich bei jedem dritten Song die Skip-Taste betätigen muss. Okay, I can explain everything gibt's auch ohne Replay-Taste zweimal und hat sicherlich was nervendes. Aber das soll ja auch so sein. Und Marc Ribot an der Gitarre kann man eh nicht oft genug hören. Ansonsten gibt es jede Menge Lieder die über dem Abgrund balancieren, Over You, It's Not Too Late, Primitives und zwischendrin das launisch verschrobene Humans From Earth, in dem die Menschheit auf der Suche nach neuem Lebensraum in Kolumbus' Spuren wandelt. Aber dabei verhandeln sie nicht mit amerikanischen Ureinwohnern, sondern mit Außerirdischen auf deren Planeten: "Here's a crazy little thing we call TV. Do you have electricity?"
Time Out of Mind -- Bob Dylan
Okay, in diesem Fall ist die Auswahl etwas willkürlich. Ich habe auch einige Zeit geschwankt, ob hier nicht Oh Mercy oder Highway 61 Revisited stehen müsste. Oder vielleicht doch die Bootleg Series, die ja ihren ganz eigenen Charme haben. Vielleicht wählt man unwillkürlich von vielen gleich guten Alben immer das jüngste aus. Jedenfalls wäre es auch definitiv dann erste Wahl, wenn man nur die erste Minute als Maßstab hätte. Love Sick fängt mit einem unerhört gebremsten Tempo an, getragen von einer Hammond-Orgel, wie ich sie schon lange nicht mehr gehört habe. Was aber vielleicht auch daran liegen kann, dass es gar keine Hammond-Orgel ist, die da diese abgehackten Akkorde produziert, sondern eine vom Produzenten Lanois verfremdete Gitarre. Egal, was will man gegen einen Song sagen, der nach 15 Sekunden und vielleicht gerade mal 10 Tönen mit den Sätzen "I'm walking ..." anfängt. "... through the streets that are dead". Natürlich sind die anderen Stücke nicht schlecht, aber neben dem Opener haben gerade die deutlich verschleppten Songs die stärkere Präsenz. Unter denen sticht besonders das tiefschwarze Not dark yet hervor, das vollkommen illusionslose Bilder aneinander reiht und bei dem ich doch immer wieder in der unmittelbaren Fortsetzung der Titelzeile "...but it's getting there" einen merkwürdig tröstlichen Unterton aus der Stimme heraus höre. Fast als wäre es eine Art Gute-Nacht Lied.
OK Computer -- Radiohead
Keine Ahnung, wieso diese Platte "OK Computer" heißt. Aber weiß irgendjemand, wieso die Jungs sich Radiohead nennen? Meine Theorie ist ja, dass das eine Reminiszenz an die Talking Heads ist [1]. Die CD ist von 1997, also mal gute 10 Jahre nach dem Ende der Talking Heads aufgenommen. Vielleicht ist es ein bisschen übertrieben, zu behaupten, dass die Talking Heads, genau so geklungen hätten, wenn sie denn als Band weitergemacht hätten. Die Texte von Radiohead sind enigmatischer, die Musik noch verstörender, wobei ich meine, mich erinnern zu können, dass ich No Surprises schon mal in einer Studenten-Disco gehört habe.
Joshua Judges Ruth -- Lyle Lovett
Modernistisch würde man diese Aufnahmen wohl kaum nennen. Und trotzdem, wenn das Barjazz-Piano von I've been to Memphis, die Gospel-Chöre von Church oder Since the last time oder das todtrauige Saxophon in der Blues-Adaption All my love is gone erklingen, glaubt man das in dieser Eindringlichkeit und Färbung noch nie zuvor gehört zu haben. Die Vorgänger-Platte ..and his Large Band war schon stilistisch mit allen Wassern gewaschen, aber auf dieser Aufnahme gesellen sich dazu noch Texte, die wohl irgendwo zwischen leichtem Augenzwinkern und bitterböser Ironie anzusiedeln sind. Die vom Gospel geprägten Songs sind dabei noch am mildesten. Essentieller werden da schon She's leaving me, because she really wants to oder Family Reserve.
Mule Variations -- Tom Waits
Wusste man bei Tom Waits jemals, an wen die Lieder, die er da singt, gerichtet sind? Selbst bei dem deutlichen Lamento in Georgia Lee "Why wasn't God watching?" ist nicht so ganz klar, ob das wirklich ein Vorwurf an Gott ist, oder nur eine allgemeine Klage über die Ohnmacht des Menschen. Bei dem Monolog What's he building, der als geniales Mini-Hörspiel daherkommt, ist der vermeintlich obskure Nachbar vielleicht auch nur eine Hilfskonstruktion, denn das eigentliche Ziel sind wir selber. Die Schlußzeile macht es deutlich: We have a right to know! Interessanterweise wechseln sich auf diesem Album die typisch rumpelnden Songs mit einem lauten, fast schon bellenden Tom Waits mit solchen ab, die meist vom Piano getragen werden und bei denen Waits in einer Art singt, die man beinahe tröstlich nennen will. Bestes Beispiel dafür ist wohl Take it with me mit einem Landkarten-Zoom, wie ihn Google-Maps bei aller Rechenleistung nie hinbekommen wird: Land - Town - House - Woman "and in that woman there is a heart I love -- I gonna take it with me when I go". Unklar hingegen bleibt mir die Intention von Chocolate Jesus. Die Ich-Perspektive lässt ja schon eine gewisse Sympathie erkennen, für den (oder die?), der sich beim Zuckerbäcker ums Eck den Schokoladen-Jesus holt und ihn sich in einer merkwürdigen Kopie des Abendmahls einverleibt: "makes me feel good inside". Oder ist es doch bitterböse Ironie -- wobei Waits sich sicherlich nicht in die Riege der Verteidiger des wahren Jesus einreihen lassen wird -- wenn er von "wrap your savior up into cellophane" singt und damit ein "whatever works" Christentum im Visier hat. Zumindest der Hahn, der da im Hintergrund sicherlich mehr als 3 mal kräht, läßt schon ein bisschen an Verrat (an der Sache) denken. Zugegben, ein krähender Hahn ist bei Tom Waits keine Seltenheit, aber bei diesem Album würde ich fast darauf wetten, dass er wirklich nur in diesem einen Lied auftritt.

Ganz offensichtlich drängt sich am Ende dieser Liste die eine Frage auf: Wieso gibt es darin nur amerikanische Songwriter und britische Bands? (Oh, ganz böser Schnitzer. Es muss natürlich irische und britische Bands heißen.) Es quält mich jetzt weniger, dass da niemand deutsches dabei ist. Denn die Fehlfarben und Element of Crime wären schon hoch gehandelte Kandidaten, zumal ja zumindest über eine dieser beiden Combos von einer bekannteren Musikzeitschrift der bezeichnende Satz geprägt wurde: "Das ist Musik, die von selbst dafür sorgt, dass sie dort nicht gehört wird, wo sie nicht gehört werden will."
Mehr und mehr frage ich mich, weshalb es die Songwriter nur in Amerika und umgekehrt die Bands nur in Europa gibt. Welcher Einzelkünstler von Belang kommt aus Europa? Elvis Costello ist der einzige, der mir einfällt. Sting zählt nicht so recht, denn der hat, als er noch bei Police war, relevantere Sachen gemacht (auch wenn ich mit diesem Statement seinen ersten drei Soloplatten unrecht tue). Und welche wirklich wichtige neuere Band ist aus Amerika? Nach den Talking Heads kam eigentlich nichts mehr. Die Pixies? Kann ich nicht nachvollziehen. Ich ziehe die Smiths allemal den Pixies vor. Nirvana, Smashing Pumpkins, Pearl Jam? Das ist zumindest bei den letzten beiden ein sehr großes Fragezeichen. Und wer weiß, was jetzt mit Nirvana wäre, wenn Kurt Cobain noch lebte.
R.E.M. -- die habe ich vergessen. Die sind definitiv eine amerikanische Band! Wieso stehen die eigentlich nicht auf meiner Liste? Hm, vielleicht weil sie nicht mehr mit ihrem alten Produzenten Scott Litt zusammen arbeiten ...


[1] Eigentlich war diese Aussage ja nur als launiger Schuss ins Blaue gedacht. Inzwischen habe ich aber mal eher mehr zufällig bei Wikipedia vorbeigeschaut und dort die nicht als "Theorie" titulierte Aussage gefunden, dass sich Radiohead nach einem Song von Talking Heads benannt haben. Schlaue Ideologiekritiker hegen jetzt natürlich den Verdacht, dass diese Übereinstimmung ja genau dann nicht verwundern muss, wenn der Autor von beiden Seiten der gleiche ist. Das finde ich denn aber doch übertrieben spitzfindig.